Text “J. C. Delahaye” aus: Katalog der Neuen Galerie im Künstlerhaus München. Ausstellung Dezember 1962 - Januar 1963. (erneut veröffentlicht: Jacques Delahaye - Der Bildhauer. Kettler Kunst, 2006. Herausgeber: Theo Bergenthal / Joachim Stracke)
”J. C. Delahaye”
von Michel Tapié
Auf den Spuren Delahayes stoßen wir auf eine der schwierigsten Übungen innerhalb der neuen Versuche auf dem Gebiet der Skulptur - auch was die neuen Bedürfnisse und die neue morphologische Basis (was nebenbei gesagt dasselbe ist) anlangt. Einige also haben die Form aufgegeben zugunsten der vielschichtigen Beschaffenheit der neuen Strukturen. Andere wollen ihr eigentliches Abenteuer erleben in der Form selbst. In der Frage der Anordnungen innerhalb der neuen Machtverhältnisse nimmt sie nicht mehr als ein spezielles Kapitel zur Vereinheitlichung ein, jedoch eines, das - von der Warte der Bildhauer gesehen - niemals aufhören darf zu existieren. Leider ist dieses Kapitel - die Offenbarung der klassischen Zeitabschnitte - zu einem sehr heiklen Thema geworden, gejagt von Übersättigung, Widerspruch und Zweideutigkeit. Es gibt genügend dramatische Beispiele für Versuche, sich formell zu aktualisieren, Versuche, die gleichzeitig Chefs-d’œuvre außerhalb ihrer Zeit und dialektische Mißerfolge sind. Delahaye ist reich an diesen gefährlichen Problemen. Er ist sich ihrer bewußt; er überwindet und beherrscht sie. Er schenkt uns vollkommene Werke, die die bestätigten Aussagen der Malerei wiederfinden, so wie Tapiés und Damian, die einen Teil der modernen Kunst in ein Stil-Abenteuer einbeziehen, das ich gerne als Metaphysik der Materie bezeichne. Alles Sichtbare hat sein Mysterium; aber die neuen Mysterien, die durch Delahaye an uns herangebracht werden, bringen das Geheimnis der klassischen Form hervor: eine klar begrenzte Struktur in Bezug auf gemalte Flächen und Leeräume. Ihr Vergleich mit den humanistischen Bildern war nur eine äußerliche Falle, die nichts mit künstlerischen Werten zu tun hat. Indem Delahaye die Form vergegenwärtigt, steigert er ihre Geheimnisse.